Obst- und Gartenbauverein Rott am Inn

Jede Blüte zählt…

Auf der Webseite des Wildbienenexperten Paul Westrich findet sich die Information, dass die Gewöhnliche Löcherbiene – eine auch im Siedlungsbereich vorkommende Wildbiene – ca. 1,7 Blüten für die Versorgung einer Brutzelle mit Pollen benötigt. Eine Löcherbiene legt in ihrem kurzen, 4-wöchigen Leben durchschnittlich 8 Eier. Daraus lässt sich leicht errechnen, dass um die 14 Blüten notwendig sind, damit die Nachkommenschaft einer einzigen kleinen Biene gesichert ist – und es wird klar, dass jede Blüte zählt!

Ich versuche daher in meinem Garten eine größtmögliche Anzahl an Blüten zu kultivieren. Natürlich ungefüllt und möglichst aus heimischen Gefilden, um auch mancher geschleckiger Wildbiene - viele Wildbienenarten sind auf ganz bestimmte Pflanzen angewiesen – Pollen anbieten zu können. Jeder erdenkliche Fleck wird dafür genutzt: die Staudenbeete eh, Blumentöpfe, das Gemüsebeet, der Rasen, der nicht wöchentlich gestutzt oder gar von einem Mähroboter bearbeitet wird. Mein Geheimtipp aber sind Pflasterritzen.

Im Laufe der Jahre sind alle meine Glockenblumenpolster, die die Staudenbeete so schön eingerahmt hatten, den Schnecken zum Opfer gefallen. Vorher konnten sie Gott sei Dank durch reiche Selbstaussaat für Nachkommen sorgen. Ausgerechnet in den Pflasterritzen des benachbarten Weges gedeihen nun wunderbare Polsterglockenblumen - unbehelligt vom Riesenappetit diverser Schnecken, die nach wie vor meinen Garten bevölkern und für die der Plattenbelag im wahrsten Sinne des Wortes ein „heißes Pflaster“ ist.

Lassen sie ruhig Fugenkratzer, Spritzmittel und Flammenwerfer beiseite und „Unkraut“ Unkraut sein. Vielleicht teilen Sie mit mir die Erfahrung, dass es an so unwirtlichen Plätzen wie einer Pflasterfuge grünt und blüht. Selbst von solch zarten Pflanzen wie der Glockenblume.

 

Naturgarten – wuchern lassen oder ordnend eingreifen?

Vor einigen Wochen war eine Freundin zu Besuch, um die im Juli-Gemeindeblatt vielbesungenen Pflasterritzen-Glockenblumen mit eigenen Augen zu sehen: „Und Du reißt da nichts aus den Ritzen raus?? Bei mir käme da nur Löwenzahn…“

Natürlich reiße ich nicht nichts raus. Naturgarten hat schließlich nicht zwangsläufig etwas mit wild wuchernder Wildnis zu tun. Ich greife ordnend ein und entferne, was zu viel ist, sich bedrängt oder bereits in Massen im Garten wächst und gedeiht. Und ich habe in nächster Nachbarschaft zum Weg Staudenbeete und/oder Blumentöpfe mit vielen verschiedenen (Wild)blumen, die samenfest sind, sich also selbst aussäen können. Diese beiden Dinge, ordnend eingreifen und samenechte Pflanzen, sind Grundvoraussetzung für blühende Wege.

Freilich kann man auch gezielt in den Pflasterritzen aussäen. Ich würde allerdings als fauler Gärtner sagen, dass dies Mühe macht, bei der sich nicht unbedingt (gleich) Erfolg einstellt. Die Natur machen zu lassen, ist deutlich leichter.

Wie erkennt man denn, ob der Sämling besser ausgezupft werden sollte oder lohnt stehen gelassen zu werden? Obwohl ich als Landschaftsplanerin von Berufs wegen viele Pflanzen kenne, bin ich mir bei Keimlingen auch nicht immer sicher, was genau ich da vor mir habe. Aber seien Sie versichert, mit der Zeit bekommt jeder ein Auge dafür, den Sämling einer Pfirsichblättrigen Glockenblume von einem Löwenzahnpflänzchen zu unterscheiden. Zur Not einfach stehen lassen und weiter beobachten, was zum Vorschein kommt. Vielleicht überrascht einen ein wunderschönes Pflänzchen, das man standortbedingt an der Stelle nie erwartet hätte - so wie mich die zarten Glockenblumen in den Pflasterfugen, feuchtigkeitsliebender Baldrian auf der gepflasterten Südterrasse oder Rucola, wo man geht und steht.

       

Glockenblumen mitten im Pflasterweg - ohne Schneckenfraß!

 

Christrose - Selbstaussaat in schmalsten Ritzen

 

Ein unverwüstlicher Baldrian mitten auf der Südterrasse

 

 

 

 

 

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